Die Detonation und der Einsturz des Wohnblocks kamen unerwartet. Schwere Betonplatten stürzten von den Decken, überall lagen Trümmer und zusätzlich war auch noch ein Brand ausgebrochen. Eine unbekannte Anzahl von Personen wurde vermisst. Für uns Retter von Feuerwehr, THW und Johanniter-Unfallhilfe eine schwere Aufgabe: Wir mussten den Brand löschen, die Vermissten suchen und retten und dabei immer die eigene Sicherheit im Auge haben.
Die oben beschriebene Situation war das Szenario für eine groß angelegte Katastrophenschutzübung in Staats im Landkreis Stendal, die bereits Mitte Oktober 2012 stattgefunden hat. Als Kulisse für den „eingestürzten Wohnblock“ diente dabei ein ehemaliges sowjetisches Offiziersquartier, das wegen des Baus eines neuen Solarparks der IBC SOLAR AG abgerissen werden sollte. Das bayerische Solarunternehmen stellte uns das Gebäude nicht nur für die Übung zur Verfügung und half bei der Vorbereitung, sondern hatte den Abriss extra noch verschoben um uns die in dieser Größe einmalige Übung zu ermöglichen.
Schon die Vorbereitung hatte ihre eigenen Größenordnung. Mithilfe eines Baggers, den die Abbruchfirma uns samt Fahrer zur Verfügung gestellt hatte, wurden Dummies, Strohpuppen und Holzstämme im Gebäude versteckt – auch unter den schweren Stahlbetontrümmern der herabgestürzten Decke. Insgesamt 25 Vermisste galt es zu finden und zu retten, wobei die teilweise mehr als 100 kg schweren Baumstämme tödlich verunglückte Personen symbolisierten. Insgesamt waren 142 Übende von 14 Feuerwehren, dem THW und der Johanniter-Unfallhilfe vor Ort um das Zusammenwirken der unterschiedlichen Einsatzkräfte bei einem Großschaden durchzuspielen.
Wie wichtig die Möglichkeit zum Üben ist, hatte uns Anfang des Jahres 2012 ein Ernstfall gezeigt. Damals gab es in Staffelde in der Altmark eine Explosion in einem Wohnhaus. Die Helfer mussten damals einen tödlich verunglückten Bewohner aus dem eingestürzten Haus bergen.
Das bereits zum Teil abgerissene Offiziersquartier in Staats ermöglichte uns, fast alle Varianten eines Ernstfalls durchzuspielen. Löschwasser sollte von einem 1,2 Kilometer entfernten Bach bereitgestellt werden. Feuerwehr und THW räumten Schutt und Geröll unter Einhaltung der Maßnahmen zur Eigensicherung beiseite um Vermisste zu finden. Schwere Betonplatten mussten mithilfe von Hebekissen angehoben werden um vermisste Personen zu bergen. Und beim Bergen von tödlich Verunglückten stand die Würde der Verstorbenen an erster Stelle.
Nach der erfolgreichen Katastrophenschutzübung ist das ehemalige Offiziersquartier dann übrigens endgültig abgerissen worden. Allerdings sollen hier trotzdem schon bald neue Bewohner einziehen. Denn im Zuge der Ausgleichsmaßnahmen für den neu errichteten Solarpark baut die IBC SOLAR AG die Gebäudefundamente zu einem überdimensionalen Fledermauskeller um.
Gastautor Marcus Schober ist Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr Uchtspringe und Leiter des Fachdienstes Brandschutz im Landkreis Stendal. Bei der Katastrophenschutzübung in Staats hatte er die Rolle des Einsatzleiters inne.